GESCHICHTEN AUS SIMBABWE
NoViolet Bulawayo
Foto © Nye Lyn Tho | Suhrcamp Verlag
NoViolet Bulawayo, geboren 1981, wuchs auf in Bulawayo, Simbabwe. Im Alter von achtzehn floh sie in die USA. Sie studierte Englisch und schloss ihr Studium mit dem Master of Arts ab.
Als Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin lebte NoViolet Bulawayo ein Jahr lang in der Hauptstadt.
- Aspen Words Literary Prize 2023 (Longlist)
- Internationaler Literaturpreis – Haus der Kulturen der Welt 2015 (Shortlist)
- LiBeraturpreis 2015 (Nominierung)
- Pen/Hemingway Award 2014
- National Book Award 5 Under 35 2013
- Man Booker Prize 2013 (Shortlist)
- Wallace Stegner Fellow 2012
Mit viel Humor und im Takt ihrer Muttersprache Ndebele schreibt NoViolet Bulawayo über Simbabwe – und das obwohl sie selbst längst in den USA lebt.
Dreißig Jahre lang erlahmte Simbabwe unter Robert Mugawes Herrschaft. Menschenrechtsverletzungen, Korruption und internationale Sanktionen hielten die Bevölkerung in Armut und Unfreiheit, während das Regime die dürftigen Erträge der Wirtschaft ausbeutete. Als 2017 Wahlen anstanden, regte sich ein Machtkampf um die Nachfolge Mugawes. Die Bevölkerung erhoffte sich die lang ersehnte Reformen. Und tatsächlich entmachtete das Militär Mugabe und auch seine Ehefrau, die sich für das Präsidentenamt in Stellung gebracht hatte. Die großen Erwartungen wurden jedoch bitter enttäuscht. Die Generäle setzten den früheren Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa ins Amt, das Regime tauschte lediglich sein Gesicht, die Probleme blieben die alten.
WIR BRAUCHEN NEUE NAMEN
Die Geschichte eines jungen Mädchens, Darling genannt, das in seiner afrikanischen Heimat nicht nur bei einer strengen Mutter und einem an Aids erkrankten Vater aufwächst, sondern auch Hunger, Jugendkriminalität und das gewaltsame Regime der neuen schwarzen Elite erlebt.
GLORY
In Jidada, einem fiktiven afrikanischen Land, das an Simbabwe erinnert, endet die Herrschaft des alten Pferdes mit einem Coup. Vor vielen Jahren hat es das Land in die Unabhängigkeit geführt, doch inzwischen herrschen Misswirtschaft und Korruption – und daran ändert sich auch mit den neuen Machthabern nichts. Ein Roman, der an George Orwells Farm der Tiere erinnert.
Die Romane "Wir brauchen neue Namen" und "Glory" wurden LiWe vom Suhrkamp Verlag,, Berlin, zur Verfügung gestellt
LEKTÜRE NOTIZ | WIR BRAUCHEN NEUE NAMEN
horst g. flämig
„Wir brauchen neue Namen“ (englischer Originaltitel: We Need New Names) ist der Debütroman der simbabwischen Autorin NoViolet Bulawayo. Er wurde 2013 veröffentlicht und war für den renommierten Booker Prize nominiert. Der Roman erzählt die Geschichte der jungen Darling, die in Simbabwe aufwächst und später in die USA auswandert. Dabei thematisiert Bulawayo die Erfahrungen von Migration, Identitätskonflikten und Heimatverlust auf eindringliche Weise.
Inhalt und Struktur
Die erste Hälfte des Romans spielt in Simbabwe, wo die zehnjährige Darling mit ihren Freunden in einer informellen Siedlung namens „Paradise“ lebt. Trotz der Armut, politischen Unruhen und Gewalt erleben die Kinder ihre Welt mit einer Mischung aus Neugier, Fantasie und Überlebenswillen. Sie stehlen Guaven aus wohlhabenden Vierteln, spielen in den Ruinen des Landes und imitieren die Erwachsenen.
Als Darling schließlich in die USA zieht, ändert sich ihr Leben radikal. Sie lebt nun bei ihrer Tante in Michigan, doch die erhoffte Verbesserung erweist sich als Illusion. Sie kämpft mit Sprachbarrieren, Isolation und dem Gefühl, zwischen zwei Welten gefangen zu sein. Besonders eindrücklich schildert Bulawayo das Dilemma vieler Migrant*innen: Darling kann nicht wirklich zurückkehren, doch sie fühlt sich auch in Amerika nie ganz zugehörig.
Stil und Erzählweise
Bulawayos Erzählstil ist kraftvoll, poetisch und durch die Augen eines Kindes oft schockierend direkt. Sie nutzt eine fragmentarische Struktur, die den Episodencharakter von Darlings Erinnerungen unterstreicht. Die Sprache ist lebendig und voller Wortspiele, wobei besonders der kindliche Blick auf ernste Themen wie Armut, politische Gewalt und Emigration eine starke Wirkung entfaltet.
Themen und gesellschaftliche Relevanz
- Armut und politische Instabilität: Die ersten Kapitel zeigen eindrücklich die Auswirkungen von wirtschaftlichem Niedergang und politischer Repression in Simbabwe.
- Migration und Identität: Die zweite Hälfte des Romans beleuchtet die Schwierigkeiten, die viele Migrant*innen in westlichen Ländern erleben, von kultureller Entfremdung bis zu illegalem Aufenthaltsstatus.
- Verlust und Sehnsucht: Darling fühlt sich in den USA nie ganz zu Hause, aber eine Rückkehr nach Simbabwe ist auch unmöglich – ein Gefühl, das viele aus der Diaspora kennen.
Resümee
Bulawayo gelingt es, eine bewegende Geschichte mit großem erzählerischen Talent zu präsentieren. Besonders die erste Hälfte des Romans, mit ihrer humorvollen, aber tief traurigen Darstellung von Kindheit in einer Krisenregion, ist beeindruckend. Die zweite Hälfte in den USA verliert etwas an erzählerischer Intensität, was aber vielleicht auch die innere Leere widerspiegelt, die Darling empfindet.
„Wir brauchen neue Namen“ ist ein kraftvoller Roman über Migration, Verlust und Anpassung. NoViolet Bulawayo erzählt mit beeindruckender Bildsprache und scharfer Gesellschaftskritik. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt und lange nachhallt. Uneingeschränkt empfehlenswert.
Bewertung:: ★★★★★ (5/5 Sterne)
LEKTÜRE NOTIZ | GLORY
horst g. flämig
Der Roman "Glory" (2022) von NoViolet Bulawayo ist ein sprachlich brillantes, politisch scharfes Werk, das sich durch seine ungewöhnliche Erzählweise und seine tiefgreifende Allegorie auszeichnet. Es handelt sich um eine satirische Fabel, die lose auf dem Sturz des langjährigen simbabwischen Diktators Robert Mugabe basiert. Statt menschlicher Figuren bevölkern Tiere die Welt des Romans – ein erzählerischer Kniff, der stark an George Orwells "Animal Farm" erinnert, jedoch mit einer eigenen, kraftvollen afrikanischen Perspektive.
Inhalt und Handlung
Die Geschichte spielt im fiktiven afrikanischen Land Jidada, das jahrzehntelang unter der brutalen Herrschaft des Alten Pferds (eine klare Anspielung auf Mugabe) stand. Nach einem Putsch durch einen seiner Getreuen, das Tuvi Pferd, beginnt ein neuer Abschnitt – doch bald wird klar, dass sich die politische Repression fortsetzt, nur unter neuem Namen. Die Tiere des Landes erleben eine Mischung aus Hoffnung, Desillusionierung und Widerstand, wobei besonders weibliche Stimmen eine zentrale Rolle spielen. Der Fokus liegt dabei auch auf der Rückkehr einer Exilantin, die versucht, die Gräueltaten der Vergangenheit aufzuarbeiten.
Stil und Sprache
Bulawayos Stil ist außergewöhnlich: Sie verwendet eine rhythmische, repetitive, fast schon mündlich wirkende Sprache, die stark von oraler Erzähltradition geprägt ist. Die Satire ist bissig, die Dialoge sind lebendig, und der Ton wechselt gekonnt zwischen Witz und bitterem Ernst. Durch den chorartigen Einsatz kollektiver Stimmen wird die Geschichte oft wie eine politische Litanei erzählt, was die Dringlichkeit und Wucht der Themen verstärkt.
Themen
"Glory" behandelt zahlreiche politische und soziale Themen:
- Diktatur und Machtmissbrauch
- Korruption und Propaganda
- Trauma, Erinnerung und kollektive Aufarbeitung
- Exil und Heimkehr
- Der Widerstand durch Sprache und Kunst
- Die Rolle von Frauen im Kampf gegen Unterdrückung
Resümee
"Glory" ist ein künstlerisch und politisch eindrucksvoller Roman, der trotz seines fabelhaften Settings tief in reale afrikanische Geschichte und Gegenwart eindringt. Die Wahl der Tiere als Protagonisten ermöglicht eine gewisse Distanz zur brutalen Realität, ohne dabei an emotionaler Kraft zu verlieren. Besonders lobenswert ist Bulawayos Mut, sprachliche Konventionen zu brechen und einen ganz eigenen Erzählton zu finden.
Ein herausragender Roman, der politische Gewalt entlarvt, kollektive Traumata benennt und dabei literarisch absolut überzeugt. "Glory" ist sowohl eine Hommage an die Kraft des Widerstands als auch ein scharfzüngiges Porträt postkolonialer afrikanischer Staaten. Meine absolute Empfehlung.
Bewertung:: ★★★★★ (5/5 Sterne)
>> Es ist eine Realität, dass die Menschen aus Afrika nicht aufhören werden zu kommen. Die Frage ist, was tun wir? <<
NoViolet Bulawajo im Interview mit der Deutschen Welle (2015)