YAA GYASI

"bei den recherchen zur lesereihe drei "afrikanische literatur - die kolonien schreiben zurück" bin ich auf die ghanaisch-amerikanische schriftstellerin Yaa Gyasi  aufmerksam geworden. ihr mehrfach ausgezeichneter debütroman "heimkehren", 2016 im original unter dem titel "homegoing" erschienen, machte weltweit große schlagzeilen. gyasi hat sieben jahre an dem roman gearbeitet. es ist ein großwerk entstanden, das mehrere generationen, mehrere länder und kontinente umfasst, in dem die geschichte des sklavenhandels sowie dessen folgen für die afroamerikanische gemeinschaft, ihren heutigen status in den USA aus mehreren perspektiven erzählt wird."

"ein politisch-literarisches manifest von wirkungsreicher gesellschaftspolitischer gegenwärtigkeit......aktueller denn je."

horst g. flämig

Über Yaa Gyasi

Foto © Peter Hurley | The Vilcek Foundation 

Yaa Gyasi (geboren 1989 in Mampong, Ghana) ist eine ghanaisch-US-amerikanische Schriftstellerin. Ihre  Eltern stammen aus der Ashanti Region. Die Ashanti Region ist die bevölkerungsreichste Region Ghanas mit der Hauptstadt Kumasi. Die Familie emigrierte 1991 in die USA, wo der Vater nach seiner Promotion als Linguist eine Stelle an einer Universität fand. Die Familie lebte in Ohio, Illinois und Tennessee, und seit ihrem zehnten Lebensjahr wuchs Gyasi in Huntsville in Alabama auf, wo sie die Nachwirkungen der amerikanischen Sklaverei im gesellschaftlichen Leben spürte.

Gyasi studierte an der Stanford University (B.A.), jobbte in San Francisco und studierte 2012 Kreatives Schreiben im Iowa Writers’ Workshop (M.A.).

Zu ihrem ersten Roman „Homegoing“ wurde sie durch ihre erste Heimreise nach Ghana inspiriert, die sie als Erwachsene unternahm. Sie besichtigte dort das Cape Coast Castle, das dem Sklavenhandel diente, und sie nahm sich dieses Themas an.

Der Roman verfolgt die Geschichte der Nachkommen einer ghanesischen Frau mit Namen Maame von der Mitte des 18. Jahrhunderts in Ghana über acht Generationen bis in Gegenwart in den USA. Maame hat zwei Kinder, Effia und Esi, die getrennt aufwachsen und jeweils zwei Familienstränge bilden. Erst in der letzten Generation werden mit Marjorie und Marcus die beiden Linien wieder zusammengeführt. Der Roman gliedert sich in zwei große Teile mit Kapiteln, die jeweils den Namen eines Nachkommen tragen. Alternierend wird die Geschichte der beiden Familienlinien in chronologischer Reihenfolge erzählt.

Gyasi erhielt für den Roman verschiedene Nachwuchspreise, so den John Leonard Preis des National Book Critics Circle Award, einen Hemingway Foundation PEN Award, den 5 Under 35 der National Book Foundation, einen American Book Award und einen der Dayton Literary Peace Prizes 2017. Gyasis zweiter Roman Transcendent Kingdom erreichte 2021 die Shortlist des Women’s Prize for Fiction.


Yaa Gyasi lebt in Berkeley, Kalifornien.

HEIMKEHREN

Das immer wieder emporflammende Thema "Rassismus in den USA" schlägt sich verstärkt auch in der US-amerikanischen Gegenwartsliteratur nieder. 

Sechs Generationen Sklavereigeschichte. Sechs Generationen  vererbter Schmerz.

›Heimkehren‹ spannt einen kühnen Bogen vom Ghana des 18. Jahrhunderts bis in die USA der Gegenwart. Die Geschichte setzt mit Effia und Esi ein – Schwestern, deren Lebenswege von Anfang an getrennt verlaufen. Es ist Effias Stamm, die Fante, der Hand in Hand mit den Briten das Geschäft der Versklavung Tausender betreibt. Über Jahrhunderte profitieren Effias Nachkommen davon oder verzweifeln daran, so wie ihr Enkel James. Dessen Urenkel wiederum, der kluge Yaw, muss erkennen, dass man in diesem gnadenlosen Spiel als Schwarzer nur verlieren kann, weil am Ende stets die Weißen profitieren.
Esi, ihre Kinder und Kindeskinder kämpfen vom ersten Tag an in Amerika ums Überleben. Ihre willensstarke Tochter Ness nimmt jedes Leid auf sich, um ihr Kind zu retten. Ihr Enkel schuftet in den Kohleminen Alabamas für ein besseres Leben in Freiheit, das jedoch selbst noch seiner Tochter Willie im Harlem der Sechzigerjahre verwehrt bleibt. Hat die vorerst letzte Generation schließlich die Chance, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, den sie Heimat nennen kann und wo man nicht als Menschen zweiter Klasse angesehen wird?

Fünfte Auflage 2022
 

LEKTÜRE NOTIZ

Das Buch wurde LiWe zur Rezension vom DUMONT Verlag, Köln zur Verfügung gestellt 

„Heimkehren“ (englischer Originaltitel: Homegoing) ist der beeindruckende Debütroman der ghanaisch-amerikanischen Autorin Yaa Gyasi. Der Roman erzählt eine epische Familiengeschichte, die sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt und die Auswirkungen von Kolonialismus, Sklaverei und Rassismus auf die Nachkommen einer ghanaischen Familie nachzeichnet.

Inhalt und Struktur

Ein Roman, der größtenteils in der Vergangenheit spielt, aber faktisch von der Gegenwart handelt. 

Die Geschichte beginnt im 18. Jahrhundert an der Goldküste (dem heutigen Ghana) mit den Halbschwestern Effia und Esi, die nichts voneinander wissen. Effia wird mit einem britischen Kolonialbeamten verheiratet und lebt in Wohlstand, während Esi als Gefangene in den Kerkern des Cape Coast Castle landet und nach Amerika verschleppt wird. Diese Spaltung bestimmt das Schicksal ihrer Nachkommen: Effias Linie bleibt in Ghana und erlebt den Wandel des Landes von der britischen Kolonie zur unabhängigen Nation. Esis Nachkommen hingegen durchleben das Grauen der Sklaverei, die Segregation in den USA und schließlich die Bürgerrechtsbewegung.
Jedes Kapitel konzentriert sich auf ein neues Familienmitglied der folgenden Generationen, wodurch ein Mosaik aus individuellen Schicksalen entsteht. Diese Erzählweise vermittelt eindrucksvoll die Langzeitfolgen von Gewalt, Unterdrückung und kultureller Entfremdung.

Stil und Erzählweise

Gyasis Schreibstil ist schlicht, aber kraftvoll. Sie schafft es, in relativ kurzen Kapiteln tief in die Gefühlswelt ihrer Figuren einzutauchen. Die Sprache ist präzise, poetisch und atmosphärisch dicht. Trotz der großen zeitlichen Sprünge gelingt es ihr, die Zusammenhänge zwischen den Generationen spürbar zu machen. Besonders beeindruckend ist, wie sie große historische Themen in persönliche Geschichten übersetzt.

Themen und gesellschaftliche Relevanz

„Heimkehren“ behandelt zentrale Themen der afroamerikanischen und afrikanischen Geschichte:

  • Sklaverei und Kolonialismus: Gyasi zeigt eindrücklich die Mechanismen des transatlantischen Sklavenhandels und dessen weitreichende Folgen.
  • Identität und Herkunft: Viele Figuren kämpfen mit dem Gefühl der Entwurzelung und dem Wunsch nach Zugehörigkeit.
  • Generationenübergreifendes Trauma: Der Roman zeigt, wie die Erfahrungen von Gewalt und Rassismus sich über Jahrhunderte hinweg auf Familien auswirken.

Resümee

„Heimkehren“ ist ein literarisch und historisch wertvolles Werk. Besonders beeindruckend ist die Komplexität, mit der Gyasi die Schicksale ihrer Figuren miteinander verwebt. Manche Leser*innen könnten die episodische Struktur als distanzierend empfinden, da man sich immer wieder von Charakteren trennen muss, bevor ihre Geschichte ganz entfaltet ist. Dennoch schafft es der Roman, eine emotionale Tiefe zu bewahren.

Ein meisterhaft erzählter, bewegender Roman, der einen tiefen Einblick in die Geschichte der afrikanischen Diaspora bietet. Gyasi hat mit „Heimkehren“ ein eindrucksvolles Debüt vorgelegt, das lange nachhallt. Absolut lesenswert 

Bewertung:: ★★★★★ (5/5 Sterne)

"Es gibt Sklaverei. Im Süden ist sie schwarz und im Norden weiß."

Andrew Johnson (1808 - 1875), US-amerikanischer Politiker, von 1865 bis 1869 der 17. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika