Der Roman wurde am Dienstag, 2. Juli 2024 besprochen
Die Geschichte einer jungen tatarischen Bäuerin, die in den 30er Jahren wie Millionen andere Kulaken nach Sibirien deportiert wird. Ein leidvoller Weg, aus dem sich für die Protagonistin Suleika aber auch die Geschichte einer Befreiung entrollt..
Suleika öffnet die Augen
Original: Сулейка открывает глаза
Gusel Jachina
„Groß ist das Land, in dem Suleika lebt. Groß und rot wie Ochsenblut.“
Suleika ist eine tatarische Bäuerin. Eingeschüchtert und rechtlos lebt die Mutter von vier im Säuglingsalter gestorbenen Kindern auf dem Hof ihres viel älteren Mannes. Ihr Weg zu sich selbst führt durch die Hölle, das Sibirien der von Stalin Ausgesiedelten.
Stalins Jahrhundertverbrechen
Vor 94 Jahren ordnete der sowjetische Diktator Stalin die Enteignung und Deportation der "Kulaken" an. Es folgte eine Hungersnot, die bis zu 15 Millionen Menschen tötete.
Ein historischer Roman über eine ungebildete, abergläubische Arbeitersklavin, die zunächst aufgrund ihrer tatarischen Herkunft von ihrem Mann wie Vieh gehalten wird und nach dessen Ermordung von einem Trupp Bolschewiki als 'Kulakin' in ein Lager in der sibirischen Taiga verschleppt wird. Die Handlung setzt im Jahr 1930 ein, während der Hochzeit der Stalin’schen Entkulakisierung und Säuberungspolitik.
SULEIKA ÖFFNET DIE AUGEn
Gusel Jachina
Ljudmila Ulitzkaja. 1930 in der Nähe von Kasan: Suleika ist eine tatarische Bäuerin. Eingeschüchtert und rechtlos lebt sie auf dem Hof ihres viel älteren Mannes. Ihr Weg zu sich selbst führt durch die Hölle: das Sibirien der von Stalin Ausgesiedelten. Ein anrührendes und meisterhaftes Debüt, das in 31 Sprachen übersetzt ist. Mit fünfzehn wurde Suleika verheiratet. Vier Kinder hat sie ihrem erheblich älteren Mann geboren. Alle hat sie bald beerdigen müssen. Für ihren Mann und ihre fast hundertjährige herrische Schwiegermutter ist sie nichts als eine Arbeitskraft von geringem Wert. Da bricht ein neues Unglück über sie herein: Die Familie wird enteignet, ihr Mann erschossen. Sie kommt auf den monatelangen Transport nach Sibirien. Unterwegs entdeckt sie, dass sie wieder schwanger ist. Sie muss beim Aufbau einer Siedlung fernab aller Zivilisation mitarbeiten und findet dort endlich die wahre Liebe. „Dieser Roman ist ein literarisches Meisterwerk, das sich auf sorgfältig recherchierte historische Tatsachen stützt.
Stichwörter:
Kulaken | Entkulakisierung | Zwangskollektivierung | Kolchos | Bolschewiki Sowchose | GPU (Geheimpolizei der Sowjetunion) | Pflichtablieferung | Rote Armee | Komsomol (Kommunistischer Jugendverband) | Tscheka (Erste sowjetische Geheimpolizei, Vorläufer der GPU)
Es ist nicht allein der erste Satz, der diesem Roman den Titel gibt: „Suleika öffnet die Augen“. Der Satz kommt mehrfach vor – und ändert dabei seine Bedeutung, sein Gewicht. So wie sich auch Suleika verändert. Denn dieses Buch handelt von einer Frau, die zu Beginn weniger wert ist als das Vieh im Stall ihres Ehemanns.
Wie Gusel Jachina das erzählt, lebendig und emotional, zugleich mit historischer Präzision, ist unbedingt die Entdeckung durch die Leser*innen wert.
Gusel Jachina
Gusel Jachina, geboren 1977 in Kasan (Tatarstan), russische Autorin tatarischer Abstammung, studierte an der Kasaner Staatlichen Pädagogischen Hochschule Germanistik und Anglistik und absolvierte die Moskauer Filmhochschule. Ihr Roman “Suleika öffnet die Augen“ wurde in 31 Sprachen übersetzt, ihr zweiter Roman „Wolgakinder“ in 14 Sprachen. Ihr dritter Roman „Wo vielleicht das Leben wartet“ erschien in 19 Sprachen. Gusel Jachina lebt mit ihrer Familie in Moskau.
Foto © George Kardava
Interview mit Gusel Jachina (SRF)
"Aus Glocken werden Traktoren"
Zitat aus dem Roman