Exkurs zur LiWe - Lesereihe: "Wann werden Frauen Menschen sein?"
Sibilla Aleramo gilt als bedeutende Wegbereiterin des Feminismus in Italien. In einem berührenden Buch erzählt sie kaum verhüllt ihre Lebensgeschichte.
SIBILLA ALERAMO
SIBILLA ALERAMO, geboren 1876, gilt als eine der Wegbereiterinnen des Feminismus in Italien. Als sie 1906 Eine Frau veröffentlicht, erregt der Roman in ganz Europa Aufsehen. Maxim Gorki, Stefan Zweig, James Joyce und Auguste Rodin wollen die Frau kennenlernen, der es mit ihrer ersten Veröffentlichung gelungen ist, wahre Schockwellen durch die internationale Literaturszene zu schicken. Nach dem Erscheinen ihres Skandalromans schreibt Aleramo jahrelang keine Prosa mehr. Sie konzentriert sich auf ihre Arbeit als Journalistin für soziale Zwecke, begeistert sich für den Kommunismus und schreibt Lyrik. Sibilla Aleramo stirbt 1960 in Rom.
Foto © unknown, Eisele Verlag
EINE FRAU
origial. Una Donna
Sibilla Aleramo
Der erste feministische Roman Italiens in deutscher Neuübersetzung
Die unbeschwerte Kindheit von Sibilla Aleramo findet ein abruptes Ende, als sie sich mit siebzehn Jahren in einen Arbeiter aus der Glasfabrik ihres Vaters verliebt, ungeplant schwanger wird und heiraten muss.
Plötzlich Mutter und Ehefrau, sieht sie sich gefangen in den patriarchalen Strukturen der damaligen Zeit – so wie ihre eigene Mutter und alle Frauen, die sie kennt. Doch statt sich den Erwartungen an ihre neue Rolle zu fügen, strebt sie nach Freiheit, Selbstbestimmung und einem Leben voller Bildung und Literatur.
Sibilla Aleramo ist „eine Frau“ – und doch fängt sie das Schicksal einer ganzen Generation von Frauen ein und beschreibt authentisch und mit außergewöhnlicher Intensität, wie sich ihre Protagonistin aus den Fesseln der Tradition befreit und ihre eigene Identität findet.
Eine Frau ist nicht nur das eindringliche Porträt der italienischen Gesellschaft um die Jahrhundertwende, sondern auch ein Manifest für Gleichberechtigung in jedem Sinne – und inspiriert so noch heute, über die Grenzen der eigenen Lebensumstände hinaus zu denken.
„Das Buch springt uns direkt an als ein Leidensruf einer Frau, die lange braucht, um sich aus ihren Verhältnissen zu lösen. (…) Das hat uns auch heute noch was zu sagen.“ Elke Heidenreich
Der Roman wurde LiWe zur Rezension vom Eisele Verlag, München, zur Verfügung gestellt.
EINE FRAU von SIBILLA ALERAMO
"Ein Buch, von dem ich hoffe, dass es viele Leser*innen erreicht. In einer Zeit, in der Frauenrechte weltweit in Gefahr sind."
lektüre notiz horst g. flämig | chat GPT
Ein einziger großer Hilfeschrei einer Frau im patriarchalischen italienischen Süden Ende des 19. Jahrhunderts. Ein durchdringendes autobiografisches Buch über eine unterdrückte Frau, welche die Stärke aufbringt, sich aus einer autoritären und tyrannischen Pression zu befreien, sich vom im Verlauf der Ehe verhassten, sie schlagenden Mann zu trennen und ein befreites, ein in eigener Verantwortung geführtes Leben zu beginnen. Der Weg dahin ist lang. Es dauert zehn Jahre, bis sie es schafft.
Sibilla Aleramos autobiografischer Roman "Eine Frau" (Una donna), erstmals 1906 veröffentlicht, gilt als ein Meilenstein der feministischen Literatur. Das Werk schildert den Lebensweg einer Frau, die sich aus den Zwängen einer patriarchalen Gesellschaft befreit und für ihre eigene Identität und Unabhängigkeit kämpft.
Inhalt
Die Erzählerin, eine junge Frau aus einer bürgerlichen Familie, wächst in Italien Ende des 19. Jahrhunderts auf. Ihre Kindheit ist geprägt von einer engen Bindung zu ihrem Vater, doch das Familienidyll zerbricht, als ihre Mutter unter der Untreue und Gleichgültigkeit ihres Mannes leidet. Als Teenager wird die Protagonistin von einem Angestellten ihres Vaters vergewaltigt und gezwungen, ihn zu heiraten. Die Ehe ist geprägt von Gewalt und Unterdrückung. Sie bringt einen Sohn zur Welt bringt, sie fühlt sich zunehmend gefangen in der Rolle der Ehefrau und Mutter. Schließlich trifft sie eine radikale Entscheidung: Sie verlässt Mann und Kind, um sich ein selbst bestimmtes Leben aufzubauen – ein gewaltiger Skandal in der damaligen italienischen Gesellschaft.
Stil und Sprache
Aleramos Sprache ist poetisch und introspektiv, zugleich kraftvoll und klar. Der Roman wird in der Ich-Perspektive erzählt, was die emotionale Tiefe und Authentizität der Schilderungen verstärkt. Die Protagonistin reflektiert intensiv über ihre Erfahrungen, ihr Frausein und die gesellschaftlichen Zwänge, die sie umgeben.
Themen und Bedeutung
"Eine Frau "ist mehr als nur eine persönliche Geschichte – es ist ein Manifest für die weibliche Selbstbestimmung. Aleramo thematisiert zentrale Fragen der Frauenbewegung:
- Patriarchale Strukturen: Der Roman zeigt, wie Frauen in der Ehe und Gesellschaft systematisch unterdrückt werden.
- Mutterschaft und individuelle Freiheit: Die Protagonistin steht vor der tragischen Wahl zwischen ihrem Sohn und ihrer eigenen Unabhängigkeit – ein Konflikt, der bis heute in Familien, die in vergleichbaren Situationen sind, nachhallt.
- Bildung und Selbstverwirklichung: Bildung ist im Roman ein Schlüssel zur Emanzipation, doch der Weg zur intellektuellen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit bleibt schwierig.
Rezeption und Aktualität
Der Roman wurde in seiner Zeit kontrovers aufgenommen. Während er von feministischen Kreisen gefeiert wurde, stieß die Entscheidung der Protagonistin, ihr Kind zu verlassen, auf scharfe Kritik. Auch heute bleibt "Eine Frau" ein bewegendes und provokantes Werk, das tiefgehende Fragen über Geschlechterrollen und persönliche Freiheit aufwirft.
Fazit
Sibilla Aleramos "Eine Frau" ist ein eindrucksvoller, radikaler und emotional aufrüttelnder Roman, der seiner Zeit weit voraus war. Die autobiografische Erzählung fasziniert nicht nur durch ihre literarische Qualität, sondern auch durch ihre gesellschaftliche Relevanz.
Wer sich für feministische Literatur oder die Geschichte der Frauenbewegung interessiert, sollte dieses Buch unbedingt lesen.
- Im Jahr 2023 wurden im Deliktsfeld der Häuslichen Gewalt 180.715 weibliche Opfer erfasst – 5,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
- Bei Sexualstraftaten wurden 52.330 weibliche Opfer erfasst, eine Zunahme um 6,2 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022.
- Von digitaler Gewalt waren 17.193 Frauen betroffen, 25 Prozent mehr als im Jahr 2022.
- 938 Tötungsdelikte an Frauen wurden von der Polizei registriert, neun mehr als im Jahr zuvor. Bei 360 Frauen und Mädchen waren die Tötungsdelikte vollendet, bei 247 dieser Opfer handelte es sich um Häusliche Gewalt.
Quelle: Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023“.
>> Das Recht der Frauen ist in den Händen
der Männer meist übel gewahrt. <<
Anita Augspurg (1857-1943, dt. Juristin)
Kaum eine Frauenrechtlerin aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik hat so polarisiert wie Anita Augspurg. Deutschlands erste Juristin fiel nicht nur durch luzide Analysen von Politik und Recht auf, sondern vor allem auch deshalb, weil sie öffentliche Konflikte rund um ihre Themen – rechtliche Gleichstellung von Frauen und eine friedliche internationale Ordnung – nicht scheute, ja geradezu provozierte.