Siri Hustvedt

 Foto © Spencer Ostrander

Längst denkt man bei Siri Hustvedt nicht mehr nur an ihren berühmten Ehemann – den Schriftsteller Paul Auster († 2024). Die 1955 in Northfield, Minnesota, geborene Hustvedt hat sich als Schriftstellerin und Essayistin in den vergangenen Jahrzehnten einen eigenen Namen gemacht. Dabei arbeitete die älteste Tochter eines norwegisch-amerikanischen Professors für Skandinavistik und einer norwegischen Einwanderin nach dem College zunächst als Kellnerin. Später begann sie jedoch ein Anglistikstudium an der renommierten Columbia University in New York, wo sie 1979 promovierte. Mit Romanen wie „Die Verzauberung der Lily Dahl“ (1997), „Was ich liebte“ (2003) oder „Der Sommer ohne Männer“ (2011) gehört Siri Hustvedt heute zu den wichtigsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen der USA. Auch ihre wissenschaftlich fundierten Essays wie „Die zitternde Frau“ (2010) finden weltweit Beachtung. In ihren stark autobiografisch geprägten Werken lotet Hustvedt immer wieder das Thema Weiblichkeit in all seinen Facetten aus. Auch lässt sie ihre Erfahrungen aus den New Yorker Künstlerkreisen einfließen, in denen sie mit ihrem Mann Paul Auster verkehrte. 

DAMALS

Original: Memories of the Future

Eine junge Frau bezieht im Jahr 1979 ein winziges Zimmer im heruntergekommenen Morningside Heights. S.H. kommt direkt aus der amerikanischen Provinz; daher ihr Spitzname: «Minnesota». Das wilde New York lockt, und Minnesota saugt alles Neue begierig in sich auf. So auch die oft skurrilen Monologe und Gesänge ihrer Nachbarin Lucy Brite, die immer dringlicher werden. Von Misshandlung ist die Rede, Gefangenschaft, Kindstod, sogar Mord. Bis eines Nachts ein dramatisches Ereignis in Minnesotas Wohnung Lucy Brite auf den Plan ruft - und ein Geheimnis beginnt, sich zu lüften ...

Vierzig Jahre später erzählt die gealterte S.H., inzwischen eine anerkannte Schriftstellerin und Wissenschaftlerin, was davor und danach geschah: erzählt von Frauensolidarität und Männerwahn, von Liebe und Geschlechterkampf, von Gewalt und Versöhnung. Erzählt aber auch vom Mysterium der Zeit, von Erinnerung und Fantasie, von der Art und Weise, wie alles im Leben zu Geschichten wird, erzählt vom Erzählen. 

In der Übersetzungsgeschichte haben Frauen immer eine bedeutende Rolle gespielt. Die Übersetzerinnen von "Memories of the Future" zählen zu den renommiertesten Übersetzerinnen im deutschen Literaturbetrieb.

ULI AUMÜLLER

Uli Aumüller, auch Alma Barkey, (* 1945) ist eine deutsche Übersetzerin und Filmemacherin. Aumüller übersetzte zahlreiche Bücher aus dem Französischen und Englischen, insbesondere von Schriftstellern wie Albert Camus, Jean-Paul Sartre, Milan Kundera und Siri Hustvedt.

GRETE OSTERWALD

Grete Osterwald (* 1947)  lebt als freie Übersetzerin aus dem Französischen und dem Englischen in Frankfurt am Main.  Im literarischen Bereich trat sie insbesondere mit Werken von Nicole Krauss, Siri Hustvedt und Lloyd Jones aus dem Englischen sowie Isabelle Eberhardt, Jacques Chessex und Hédi Kaddour aus dem Französischen hervor.

Lektüre Notiz

horst g. flämig  | chat gpt

Siri Hustvedts Roman "Damals" ist ein faszinierendes literarisches Werk, das sich auf mehreren Ebenen erstreckt.. Es verbindet autobiografische Elemente mit philosophischen Reflexionen, eine spannungsreiche Coming-of-Age-Geschichte mit feministischen Themen und eine literarische Erkundung von Erinnerung und Identität.

Erinnerung und Identität

Ein zentrales Thema ist die Frage, wie wir uns an unser eigenes Leben erinnern und wie diese Erinnerungen unsere Identität formen. Die ältere S.H. erkennt, dass ihre Tagebücher aus den späten 1970er-Jahren sowohl Wahrheiten als auch Lücken und Fiktionen enthalten. Dies führt zu Reflexionen über die Subjektivität von Erinnerung und darüber, wie das Erzählen von Geschichten – ob schriftlich oder mündlich – immer eine Art Konstruktion ist. 

Frauen und Selbstfindung

Hustvedt beschäftigt sich intensiv mit feministischen Fragen. S.H. kämpft in einer männerdominierten Welt um ihren Platz, sei es als Schriftstellerin oder als junge Frau in der Großstadt. Der Roman zeigt die Herausforderungen, die Frauen damals (und heute) gegenüberstanden, etwa in Bezug auf sexuelle Belästigung, Machtstrukturen und die Schwierigkeit, ernst genommen zu werden. 

Metafiktion und literarische Reflexion 

Der Roman ist auch ein Kommentar über das Schreiben selbst. Die ältere S.H. reflektiert nicht nur über die Inhalte ihrer Tagebücher, sondern auch über die Entscheidungen, die sie als Schriftstellerin trifft. Hustvedt verwischt die Grenzen zwischen Autorin, Erzählerin und Protagonistin, wodurch eine spannende, vielschichtige narrative Struktur entsteht. 

Stil und Struktur 

Hustvedts Schreibstil ist elegant und intellektuell, oft durchsetzt mit philosophischen und literarischen Referenzen. Der Roman ist in einer Art Collage aus Tagebucheinträgen, Erinnerungen und Reflexionen verfasst. Diese fragmentarische Struktur spiegelt die Themen des Buches wider: Erinnerung ist nicht linear, und die Konstruktion von Identität ist ein komplexer Prozess. 

Die sprachliche Präzision und die dichte, introspektive Prosa erfordern Aufmerksamkeit vom Leser, werden aber durch die Tiefe der Einsichten belohnt. Hustvedt gelingt es, persönliche und universelle Themen miteinander zu verweben, ohne belehrend oder überladen zu wirken. 

Charaktere 

S.H.: Die Protagonistin ist sowohl in ihrer jungen als auch in ihrer älteren Version eine vielschichtige Figur. Ihre Verletzlichkeit und ihr Intellekt machen sie zu einer überzeugenden Erzählerin. Ihre Entwicklung von einer unsicheren jungen Frau zu einer reflektierten, älteren Schriftstellerin ist glaubhaft und berührend. 

Lucy Brite: Lucys Figur ist geheimnisvoll und faszinierend. Sie steht für viele der Themen des Romans, darunter Trauma, Wahnsinn und die Marginalisierung von Frauen. 

Kritik 

Damals wurde von der Kritik für seine literarische Komplexität und seinen feministischen Ansatz gelobt. Einige Leser könnten jedoch die anspruchsvolle Struktur als Herausforderung empfinden. Die Kombination aus autobiografischen Elementen und Fiktion mag für manche irritierend sein, aber sie ist ein bewusstes Stilmittel, um die fluiden Grenzen von Erinnerung und Realität zu erforschen. 

Fazit 

Hustvedts Werk ist besonders für eine Leserschaft interessant, die sich für Themen wie feministische Literatur, Psychologie und die Kunst des Schreibens begeistern. Es ist weniger ein üblicher Roman als eine intellektuelle Erkundung, die zum Nachdenken und zur Selbstreflexion einlädt. 

"Damals" ist ein anspruchsvoller, vielschichtiger Roman, der auf mehreren Ebenen funktioniert. Siri Hustvedt schafft es, persönliche und gesellschaftliche Themen meisterhaft miteinander zu verknüpfen. Der Roman fordert seine Leserschaft, belohnt sie jedoch mit tiefgründigen Einsichten und einer einzigartigen literarischen Erfahrung. 

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SRF Kultur

Siri Hustvedt erklärt das Rollenspiel der Geschlechter.

 


 

 >> Auch Gott lernt dazu. Man merkt das an den Verbesserungen bei der Erschaffung der Frau gegenüber der des Mannes. <<

Zsa Zsa Gabor (* 6. Februar 1917 in Budapest; † 18. Dezember 2016 in Los Angeles)