Der Magier im Kreml
Giuliano Da Empoli
In seinem Debütroman erzählt der Politologe Giuliano da Empoli die Geschichte von Wladislaw Jurjewitsch Surkow, dem geheimnisumwitterten Ex-Berater des russischen Präsidenten.
Giuliano da Empoli
Foto © Francesca Mantovani / Editions Gallimard
Giuliano da Empoli ist ein italo-schweizerischer Schriftsteller und Wissenschaftler. Er ist der Gründer von Volta, einem pro-europäischen Think Tank mit Sitz in Mailand, und Professor für Vergleichende Politikwissenschaft an der Sciences Po Paris. Zuvor war er stellvertretender Bürgermeister für Kultur in Florenz und Berater des italienischen Ministerpräsidenten Renzi.
Er ist Autor zahlreicher, international veröffentlichter Essays, darunter zuletzt «Ingenieure des Chaos» (2020) über neue Propagandatechniken, das auch ins Deutsche übersetzt wurde.
«Der Magier im Kreml» ist sein erster Roman. In Frankreich wurden über 300.000 Exemplare verkauft und die Rechte inzwischen in fast 30 Länder vergeben, das Buch wurde u.a. ausgezeichnet mit dem Grand Prix du Roman de l’Académie française und war Finalist für den Prix Goncourt.
Über Wladislaw Surkow
Warum hat Putin einen seiner engsten Vertrauten entlassen? Wurde die Graue Eminenz und der scharfsinnige Strippenzieher zu mächtig?
Der Chefideologe des Putin-Systems galt lange als einer der mächtigsten Männer Russlands - und als Architekt der russischen Ukraine Politik. 2020 hat Putin seinen langjährigen Berater entlassen. Ohne Nennung von Gründen.Nach der russischen Krim-Annexion 2014 unterstützte Surkow die prorussischen Rebellen in der Ostukraine. Laut den Rebellen stand Surkow auch den Anführern der selbsternannten Republiken von Donezk und Lugansk beratend zur Seite.
Er galt als erbitterter Hardliner. Auf dem Höhepunkt seiner Macht passierte in der russischen Politik kaum etwas, ohne dass die Hand von Sorkow mit im Spiel war. Er kontrollierte politische Parteien in der Duma und pro-Putin Jugendgruppen auf den Straßen. Er unterstützte aber auch Künstler, die sich der Politik des Kremls widersetzten.
Surkow kündigte unterdessen an, sich erstmal "der Meditation“ hinzugeben. Der "Einflüsterer" des russischen Präsidenten schweigt indes weiter und überlässt die Auslegung den Deutern der Kremlpolitik.
Klappentext
Man nennt ihn den "Magier im Kreml". Der rätselhafte Vadim Baranow war Regisseur und Produzent von Reality-TV-Shows, bevor er zur grauen Eminenz von Putin wird. Nachdem er als politischer Berater von der Bühne verschwindet, werden immer mehr Legenden über ihn verbreitet. Bis er eines Nachts dem Ich-Erzähler dieses Buches, der seit Langem in Moskauer Archiven forscht, seine Geschichte anvertraut …Dieser Roman führt uns ins Zentrum der russischen Macht, wo permanent Intrigen gesponnen werden. Und wo Vadim, der zum wichtigsten Spindoktor des Regimes geworden ist, ein ganzes Land in ein politisches Theater verwandelt, in dem es keine andere Realität als die Erfüllung der Wünsche des Präsidenten gibt. Doch Vadim ist kein gewöhnlicher Ehrgeizling: Der Regisseur, der sich unter die Wölfe verirrt hat, gerät immer tiefer in die Machenschaften des Systems, das er selbst mit aufgebaut hat, und wird alles daransetzen, um dort wieder herauszukommen. Er nimmt den Erzähler mit auf eine Reise ins Herz der Finsternis. "Der Magier im Kreml" ist ein Roman über das zeitgenössische Russland und die Entstehung seiner medial inszenierten und vollkommen fiktiven, aber auch tödlichen Realität, einem Imperium der Lüge.
Eine Schlüsselstelle im Roman
Boris Jelzin torkelt über das Podium - und Bill Clinton lacht
1995 - Der alkoholkranke Boris Jelzin torkelt während einer Pressekonferenz in Washington. Bill Clinton lacht. Die Bilder gehen über alle Fernsehkanäle. Die einstige Weltmacht Russland ist nicht mehr von Relevanz. Sie wird verhöhnt. Es betritt Wladimir Putin die politische Weltbühne.
Lektürenotizen
horst g. flämig
"Der Zerfall der UdSSR ist die größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts."
Wladimir Putin
Fiktion und Fakten - genial und originell verwoben. Der Erzähler, ein Literaturwissenschaftler und der Protagonist des Romans kommen sich näher. Über die Literatur. Sein Name ist Vadim Baranow. Diese fiktive Person hat starke Bezüge zu einer realen Person: Wladislaw Surkow.
Die Geschichte beginnt bei Baranows Familie. Sie entstammt dem russischen Adel. Sein Froßvater diente treu dem Zaren Nikolaus II. Sein Vater war ein intellektueller Funktionär im kommunistischen Staat. Die Familie ist sich in einem Punkt einig: Die Größe Russlands wird geprägt von Kunst und Literatur.. Nimbus und Glorie werden aber bestimmt durch diktatorischer Herrscher, wie Stalin. Mit dem Auseinanderbrechen der UdSSR unter Gorbatschow schwindet der Glanz einer Großmacht.
Die unsägliche Vermengung aus Zarentum, Stalinismus und <Putinismus gelingt
Giuliano da Empoli vortrefflich.
Wahrheit durch Lüge ersetzen. . Wie das Orwell'sche 'Neusprech'. Im Roman '1984'
Der Aufstieg Putins vom KGB-Mann in Dresden bis zum ersten Mann Russlands wird spannungsvoll erzählt. Kremlpropaganda, Fehlinformationen, Lügen Medienmanipulation. Putin gibt den Ton an. Seine Vasallen stimmen in den perfiden Cantus ein. Und die russische Zivilgesellschaft . schweigt. Ist das Schweigen so vieler Russinnen und Russen Zustimmung, Angst oder Hilflosigkeit und Ohnmacht?
Die Hintergründe des Ukraine-Krieges sind komplex, Inzwischen gibt es viele Versuche, Putin und Russland zu erklären – von Anklägern und Verteidigern.
'Der Magier im Kreml' ist ein Roman. Kein Sachbuch. Besser als viele Sachbücher. Anders. Überraschend. Informativ. Lehrreich. Wichtig. Dabei unterhaltend.
Putins erratische Kopfgeburt: Großrussland.
Nach der Lektüre, die ein Muss ist, versteht man Putin, seine Ziele im Ukrainekrieg, ohne in das Licht gerückt zu werden, 'Putinversteher zu sein. Er möchte das zweitwichtigste postsowjetische Land im russischen Einflussbereich halten; dessen Integration in NATO und EU verhindern; und den gesellschaftlichen Wandel weg vom Putin’schen Paradigma stoppen.
>>Die russischen Helden sind bereit, sich für ihr Vaterland zu opfern, indem sie hilfsbedürftige Menschen in der Ukraine beschützen.<<
Dmitri Medwedew, von 2008 bis 2012 russischer Präsident und heute stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrats, auf Telegram am „Tag der Helden des Vaterlandes“
(Eine der vielen fehlgeleiteten und erratischen Kreaturen im Umfeld von Putin.)