foto: aus der literaturverfilmung  "stupeur et tremblements"


11.3.2025 | 19:00 bis 20:30 Uhr

Lesereihe Zwei: Wann werden Frauen Menschen sein? 


Bürgerhaus Wersten | Das kulturelle Vieleck
Werstener Dorfstraße 90
40591 Düsseldorf 

Eine Frau kann in Japan nur ganz unten beginnen - und noch tiefer fallen. 

Mit Staunen und Zittern

 (Originaltitel: Stupeur et Tremblements)

Amélie Nothomb

Autobiografischer Roman, der den Abstieg der Autorin als japanbegeisterte Frau in einer japanischen Firma von der "Kalenderbetreuerin" zur "Klofrau" nachzeichnet, 

  • Im "Gender Gap Report 2022" des World Economic Forum landet Japan auf dem 116. Platz von 146 Ländern (aktuell 2024, 118. Platz)

 ETHNOGRAPHISCHE BEGEGNUNGEN MIT DER JAPANISCHEN ARBEITSWELT 

Aufzeichnungen einer Toilettenfrau

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11.3.2025 | 19:00 bis 20:30 Uhr | Mit Staunen und Zittern von Amélie Nothomb

Bürgerhaus Wersten | Das kulturelle Vieleck
Werstener Dorfstraße 90
40591 Düsseldorf 

Deutschland

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Der Film (Trailer) zum Buch vorweg. Er macht große Lust aufs Buch.

Stupeur et Tremblements 

Basierend auf dem autobiographischen Roman von Amélie Nothomb schildert 'Mit Staunen und Zittern' den Versuch der Französin Amélie  (Sylvie Testud) in einem japanischen Unternehmen Karriere zu machen. Nach anfänglichen Erfolgen, stellt die japanbegeisterte Frau jedoch bald fest, dass ihr Traumland nicht nur das Land der untergehenden Sonne, sondern auch der unterschiedlichen Umgangsformen ist: Amélie tritt bald in so ziemlich jedes Fettnäpfchen. Ihre Vorgesetzten verwandeln sich in unüberwindliche Hindernisse und und die Konsequenzen als Mobbing zu bezeichnen wäre eine Untertreibung. Allerdings wäre das eine sehr westliche Beschreibung der Umstände und Amélie merkt bald, dass in Japan andere Maßstäbe herrschern.

 Verfilmung erfolgte durch den Regisseur Alain Corneau. Die Tragikomödie entstand als französisch-japanische Koproduktion. Für ihre Darstellung in 'Mit Staunen und Zittern' wurde Sylvie Testud mit dem César für die beste weibliche Hauptrolle ausgezeichnet.

Gleichberechtigung in Japan: Systematisch vernachlässigt 

Hierarchie, Demütigung und Ausgrenzung. Amélie Nothomb beschreibt die Schattenseiten des japanischen Arbeits- und Lebensstils. 

Die ersten Sätze

 "Herr Haneda war Herrn Omochis Vorgesetzter, der Herrn Saitos Vorgesetzter war, der Fräulein Moris Vorgesetzter war, die meine Vorgesetzte war. Was mich anging, so war ich niemandes Vorgesetzte. Man könnte die Dinge auch anders ausdrücken. Ich stand unter Fräulein Moris Befehl, die unter Herrn Saitos Befehl stand und so weiter, wobei zu ergänzen ist, dass die Befehle auf ihrem Weg von oben nach unten die hierarchischen Ebenen überspringen konnten. Kurz, in der Firma Yumimoto stand ich unter jedermanns Befehl." (Auszug aus dem Roman) Amélie nimmt eine Stelle bei einem japanischen Unternehmen an. Diese Entscheidung entpuppt sich jedoch bald als eine grosse Enttäuschung, denn in der Firma lernt sie zwar nichts in Sachen Buchhaltung, dafür wird ihr ein Crash-Kurs in Sachen Hierarchie erteilt. Von Anfang an ist eines gewiss: Eine Frau kann nur ganz unten beginnen - und noch tiefer fallen. 

"Mit Staunen und Zittern" ist ein beachtliches Werk, das auf autobiografischen Erlebnissen der Autorin basiert. Es ist eine präzise Beobachtung der kulturellen Unterschiede zwischen Japan und der westlichen Welt und gleichzeitig eine bissige, humorvolle und tiefgründige Erzählung über Anpassung, Identität und Unterordnung. 

Frauen in Japan haben weitaus schlechtere Chancen als Männer - im Bildungssektor, auf dem Arbeitsmarkt, in der Politik und der Gesellschaft insgesamt. 

Mit Staunen und Zittern

Amélie Nothomb

Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte. Meine war bisher ist alles andere als gewöhnlich. Ich bin mehr als einmal gestolpert und hingefallen, besonders in der Anfangszeit. Was mich aber immer wieder dazu gebracht hat, aufzustehen, war der Wunsch, meine Fähigkeiten zu perfektionieren und mir als Experte auf meinem Gebiet einen Namen zu machen. Selbst jetzt bilde ich mich immer noch weiter und lerne mit jeder neuen Herausforderung etwas neues dazu. Heutzutage ist es mein Ziel, Menschen wie dir dabei zu helfen, die Grundlage für einen nachhaltigen Erfolg zu schaffen.

Der Roman wurde LiWe zur Rezension vom Diogenes Verlag, Zürich, zur Verfügung gestellt. 

Bei der Gleichberechtigung gehört Japan zu den rückständigsten Staaten. Doch inzwischen wehren sich Japanerinnen mit wachsendem Erfolg gegen das tief verankerte Rollenbild der dienenden und dekorativen Frau. 

Laut einer Studie der Weltbank fiel Japan im Jahr 2023 in der Gleichstellung der Geschlechter (gender equality) auf Platz 104 von 190 zurück. Das ist der letzte von einem OECD-Land belegte Platz. 

Amélie Nothomb

 Foto: © Catherine Cabrol 


Amélie Nothomb, geboren 1967 in Kobe, Japan, hat ihre Kindheit und Jugend als Tochter eines belgischen Diplomaten hauptsächlich in Fernost verbracht. In Frankreich stürmt sie mit jedem neuen Buch die Bestsellerlisten und erreicht Millionenauflagen. Ihre Romane erscheinen in über 40 Sprachen. Für ›Mit Staunen und Zittern‹ erhielt sie den Grand Prix de l'Académie française, für ›Der belgische Konsul‹ den Prix Renaudot 2021 und den Premio Strega Europeo. Amélie Nothomb lebt in Paris und Brüssel. 

Lektüre Notizen 

horst g. flämig | chatGPT

(Download)

"Mit Staunen und Zittern" ist ein Werk, das auf autobiografischen Erlebnissen der Autorin basiert. Es ist eine präzise Beobachtung der kulturellen Unterschiede zwischen Japan und der westlichen Welt und gleichzeitig eine bissige, humorvolle und tiefgründige Erzählung über Anpassung, Identität und Unterordnung. 

Inhalt 

Die Protagonistin, Amélie, eine junge Belgierin, beginnt ihre Arbeit in einem großen japanischen Unternehmen. Schon von Beginn an wird klar, dass ihre westlichen Vorstellungen von Hierarchie, Arbeitsethik und individueller Freiheit in einem direkten Konflikt mit den rigiden Strukturen und sozialen Normen Japans stehen. Ihr Enthusiasmus und ihre Neugier werden rasch durch Demütigungen, Missverständnisse und die strikte Bürokratie auf die Probe gestellt. 

Amélie startet als Übersetzerin, wird jedoch aufgrund kleiner Fehler in ihrer Arbeit immer weiter degradiert: Von der Korrespondenzabteilung bis hin zur Putzkraft führt ihr Weg durch die Hierarchie – jedoch nach unten. Besonders ihre Beziehung zu ihrer Vorgesetzten Fubuki Mori, einer beeindruckenden, aber distanzierten Frau, bildet den zentralen Konflikt des Romans. Amélies Bewunderung für Fubuki wird durch die rigiden Hierarchien und deren Kälte immer wieder gebrochen. 

Trotz aller Rückschläge bleibt Amélie standhaft, während sie die strengen sozialen Regeln Japans beobachtet und kritisch hinterfragt. Der Roman endet mit einem resignativen, aber zugleich ironischen Triumph: Amélie verlässt das Unternehmen und gewinnt ein tiefes Verständnis für die Grenzen und Möglichkeiten zwischen den Kulturen. 

Themen 

1.     Kulturelle Differenzen und Identität: Der Roman beleuchtet den Kontrast zwischen der westlichen Individualität und dem kollektiven Denken Japans. Amélies westliche Perspektive wirkt zunächst unpassend in der japanischen Arbeitswelt, wo Gehorsam, Geduld und Unterordnung zentrale Werte sind. Diese Kollision führt zu einer subtilen, oft humorvollen Kritik an beiden Kulturen. 

2.     Hierarchie und Unterordnung: In der japanischen Unternehmenskultur, wie sie im Roman dargestellt wird, zählt der Respekt vor der Autorität mehr als individuelle Fähigkeiten. Die ständige Demütigung Amélies zeigt auf, wie belastend diese Strukturen für den Einzelnen sein können, vor allem für einen Außenstehenden. 

3.     Geschlechterrollen: Besonders spannend ist die Darstellung von Fubuki Mori. Als Frau hat sie sich ihren Rang in einer patriarchalischen Gesellschaft hart erarbeitet, was ihre strenge Haltung gegenüber Amélie erklärt. Die Beziehung zwischen diesen beiden Frauen zeigt die subtilen Machtkämpfe und die Schwierigkeiten, die Frauen in solchen Strukturen erleben. 

4.     Humor und Ironie: Trotz der oft ernsten Thematik bewahrt der Roman eine Leichtigkeit, die durch Amélies scharfsinnigen, ironischen Blick entsteht. Ihr Umgang mit Demütigungen ist von einer stoischen Resilienz geprägt, die die Absurdität der Situation offenlegt. 

Stil und Sprache 

Nothombs Schreibstil ist präzise, schnörkellos und zugleich literarisch anspruchsvoll. Sie schreibt mit einer Mischung aus Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit, die den Leser gleichzeitig unterhält und nachdenklich stimmt. Der Humor ist subtil, manchmal bissig, aber nie respektlos. Die klare Sprache spiegelt die Kontraste wider, die in der Handlung verhandelt werden – kulturelle, soziale und persönliche. 

Der Roman ist vergleichsweise kurz, aber genau darin liegt seine Stärke. Nothomb verdichtet die Erfahrungen und Beobachtungen zu einer pointierten und kurzweiligen Erzählung. Es bleibt kein Platz für überflüssige Nebenhandlungen, was die Lektüre intensiv macht. 

 

Kritik und Interpretation 

"Mit Staunen und Zittern" hat bei seiner Veröffentlichung viel Lob erhalten, wurde jedoch auch kontrovers diskutiert. Kritiker loben die scharfsinnige Beobachtungsgabe Nothombs und ihre Fähigkeit, persönliche Erfahrungen in universelle Themen zu übersetzen. Andere werfen ihr vor, Stereotype über Japan zu reproduzieren und die japanische Kultur aus einer rein westlichen Perspektive zu betrachten. 

Ein zentraler Punkt der Diskussion ist die Frage, inwiefern die Darstellung Japans tatsächlich realistisch oder karikaturistisch ist. Nothomb selbst betont, dass es sich um eine subjektive Erfahrung handelt, die nicht die gesamte japanische Kultur repräsentiert. Dennoch lädt der Roman dazu ein, über kulturelle Unterschiede nachzudenken und die eigene Perspektive zu hinterfragen. 

 

Fazit 

"Mit Staunen und Zittern" ist ein humorvoller und nachdenklicher Roman, der den Leser tief in die Dynamik kultureller Begegnungen eintauchen lässt. Nothomb gelingt es, die Gratwanderung zwischen Kritik und Bewunderung für die japanische Kultur zu meistern, ohne ihre westliche Perspektive zu verleugnen. Die Themen Hierarchie, Anpassung und Identität werden eindringlich und zugleich leicht zugänglich dargestellt. 

Der Roman ist eine klare Empfehlung für Leser, die sich für interkulturelle Themen interessieren, aber auch für diejenigen, die sich von einer humorvollen und intelligenten Erzählweise angesprochen fühlen. Amélie Nothombs Blick auf die kulturellen Differenzen ist provokant, aber auch inspirierend. 

"Wer Großes will, muss zuerst das Kleine tun."

(大事の前の小事 | Daiji no mae no shōji.)