Wer war Otto John?

 »Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat.« Konrad Adenauer |  Geboren: 5. Januar 1876, Köln. Verstorben: 19. April 1967, Rhöndorf/Bad Honnef.

Es war der größte Geheimdienstskandal der deutschen Geschichte: Im Sommer 1954 tauchte Verfassungsschutzchef Otto John plötzlich in der DDR auf und beschimpfte Bundeskanzler Adenauer. 

Viel ist über den Seitenwechsel des ersten Verfassungsschutzpräsidenten in die DDR gerätselt worden. Die Historiker Benjamin Carter Hett und Michael Wala legen nun die erste Biographie über ihn vor. 

„Lange, meine Zuhörer und Zuhörerinnen, hat nichts mehr so die Öffentlichkeit in Deutschland beschäftigt, wie der Fall John. Der Übergang des Präsidenten des Verfassungsschutzamtes der Bundesrepublik in die Sowjetzone ist erschreckend.“

Konrad Adenauer am 6. August 1954. 

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Otto John: Patriot oder Verräter?

Der erste Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz wurde wegen Landesverrats angeklagt. Ob seine Verurteilung gerechtfertigt war, haben Historiker anhand von ehemals geheimen Akten herausgefunden.

Der Widerstandskämpfer gegen die Nazis Otto John wurde 1950 der erste Präsident des deutschen Inlandsgeheimdienstes. Dann der Skandal: Er verschwindet in die DDR, tritt mit merkwürdigen Botschaften auf Pressekonferenzen auf. Wieder im Westen, wird er als Verräter verurteilt. Was war wirklich passiert? Das ergründen die Historiker Prof. Dr. Benjamin Carter Hett von der City University of New York und Prof. Dr. Michael Wala von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) auch anhand von Stasi-Material.

Leseprobe


 Einer der großen Skandale der 1950er-Jahre

Nach 1949 wurden viele Behörden der noch jungen Bundesrepublik Deutschland von ehemaligen Nationalsozialisten geleitet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bildete eine Ausnahme: Sein Präsident Otto John kam aus dem Umfeld des Widerstandes. Am zehnten Jahrestag des Attentats auf Hitler jedoch tauchte er überraschend in der DDR auf. Auf Pressekonferenzen äußerte er unter anderem Kritik an der starken Orientierung der Bundesrepublik an den USA. Anscheinend ging John freiwillig in den SED-Staat, um seiner Empörung über den wachsenden Einfluss früherer NS-Funktionäre auf den bundesdeutschen Staat Ausdruck zu verleihen. Ein Jahr später, 1955, kehrte er verdeckt von Ost- nach West-Berlin zurück. Danach behauptete er, von DDR-Agenten entführt worden zu sein. Man glaubte ihm nicht: John wurde des Landesverrats angeklagt und zu vier Jahren Haft verurteilt. Bis zu seinem Tod 1997 bemühte er sich immer wieder um eine Rehabilitierung, allerdings ohne Erfolg. So endete einer der großen politischen Skandale aus den 1950er-Jahren. 

Auszug aus einer Presseinformation von Professor Michael Wala, Ruhr Universität Bochum

Schlüssig und nachvollziehbar beschreiben die beiden Autoren, dass Otto John in seinem Amt gescheitert war. Als einstiger Widerstandskämpfer kam er nicht gegen die Altnazis in seiner Behörde an. Mit seinen Plänen, einen effizienten Verfassungsschutz zu schaffen, hatte er sich nicht durchsetzen können. Warum John letztendlich in die DDR übergelaufen ist oder ob er entführt worden ist, wie er später nach seiner Rückkehr in die BRD behauptet hat, konnte nie aufgeklärt werden. 

Benjamin Carter Hett 

Benjamin Carter Hett, geboren 1965, ist Professor für Geschichte am Hunter College und am Graduate Center der City University of New York. Nach einem Jurastudium arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt, bevor er an der Harvard University in Geschichte promovierte. Für seine Forschungen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u.a. ein Guggenheim-Stipendium und den Ernst Fraenkel Prize in Contemporary History. 2018 veröffentlichte er «The Death of Democracy. Hitler’s Rise to Power».



Michawl Wala

Michael Wala, geboren 1954, ist Professor für Nordamerikanische Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Er erforscht zurzeit die Geschichte der Spionageabwehr des Bundesamts für Verfassungsschutz von den Anfängen bis 1990 und hat 2015 zusammen mit Constantin Goschler «‹Keine neue Gestapo›. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die NS-Vergangenheit» veröffentlicht.